Konso: Montage einer Ölpresse, Chagga und ein mystischer Ort

Im Juli habe ich Post aus Konso erhalten.
Dinote teilt darin mit, dass sich die ausgewählten Schulen intensiv mit der Kultivierung von Jatropha befassen und fleißig Samen sammeln. Die bisher gesammelten Mengen reichen aus, um daraus Öl zu pressen.
Das bedeutet für mich, eine handbetriebene Ölpresse zu kaufen und beim nächsten Besuch mitzubringen. Es ist natürlich wichtig zu zeigen, dass in den Jatropha-Samen Öl enthalten ist und man dieses mit wenig Aufwand auspressen kann.

Bei unserer ersten Reise nach Süd-Omo im Jahre 2009 haben wir überall versucht, Ansichtskarten zu kaufen, aber ohne Erfolg.
Im November 2011, nachdem ich viel in Konso umhergefahren bin und dabei fotografiert habe, kam mir die Idee, Ansichtskarten mit verschiedenen Motiven aus Konso in Deutschland drucken zu lassen und diese in Konso an ausgesuchten Stellen an Touristen zu verkaufen. Der Erlös soll den Schulen und dem Kindergarten für dringende Projekte zur Verfügung stehen. Dinote schreibt nun, dass ich so viele Postkarten wie möglich mitbringen soll. Sie können in der Kanta Lodge, im Museum und in der Tourist-Information verkauft werden. Auch Kalla Gezahegne hat Interesse am Verkauf der Postkarten gezeigt.

Das Aufstellen des Wassertanks scheint allerdings nicht so einfach zu sein. Er soll noch im Juli von Addis Abeba nach Konso transportiert werden. Das Material für das Fundament ist vorhanden

Drei Monate später habe ich dann die Mitteilung erhalten, dass der Wassertank am Kindergarten aufgestellt wurde und sich die GemeindeTurayte dafür sehr bedankt hat.

2012 November          zusammen mit Heike

Außer den "normalen" Geschenken befinden sich in unserem Gepäck die Postkarten sowie eine Ölpresse. Alles wird in den Seesäcken so verstaut, dass das maximal zulässige Gepäckgewicht exakt ausgenutzt wird.
Der Dreamliner ist auf dem Flug von Frankfurt nach Addis Abeba nicht voll besetzt und landet nach knapp sechs Stunden auf dem Bole International Airport. Bis zum Weiterflug nach Arba Minch haben wir sechs Stunden Zeit. Am Eingang des Domestic Airport wird das gesamte Gepäck sorgfältig gescannt. Es war für mich wenig überraschend, dass die im Seesack verstaute Ölpresse als ein undefinierbares Objekt identifiziert wurde und ich diese auspacken musste. Also habe ich im Domestic Airport einen kurzen Vortrag über die Verwendung des mysteriösen Objektes gehalten. Alles okay. Wieder einpacken. Mit etwas Verspätung - nicht wegen des Vortrages - ist das Flugzeug in Richtung Arba Minch gestartet.

In Arba Minch werden wir von Fredy und Dinote empfangen und fahren gleich nach Konso. Die Dauer der Fahrt wird wie immer von der Anzahl der Kuhherden auf der Straße wesentlich bestimmt. Gegen 20 Uhr erreichen wir die Kanta Lodge.

Am folgenden Tag besuchen wir die Schulen in Gocha und Sorobo. Die Zisterne an der Schule in Gocha ist leer, weil die Zuleitung von der Dachrinne unterbrochen ist. Die Zisterne an der Schule in Sorobo ist ebenfalls leer. Hier ist die Ursache wahrscheinlich ein verstopfter Filter.

Der Sponsor der Zisterne


Leider ist die Zisterne leer.


Der hoch angebrachte Filterbehälter kann schlecht gewartet werden.


Es ist Sonntag. Auch in Konso wird an diesem Tag nicht gearbeitet. Wir sind mit Dinote verabredet und wollen einen Spaziergang durch die Felder in die südlich der Hauptstraße gelegenen Dörfer machen. Wir starten an der Kanta Lodge und gehen in Richtung Museum.


Akazien, Euphorbien, Hirse


Khat-Strauch

Blick zum zuckerhutförmigen Kimbiro


Baumwolle Blüte

Bohnen sind ein Grundnahrungsmittel


Baumwolle Frucht

Auf den Feldern werden in Mischkultur Hirse, Mais, verschiedene Bohnenarten, Maniok und Baumwolle angebaut. Vereinzelt sehen wir Khat-Sträucher, deren frische Blätter als leichtes Rauschmittel verwendet werden. Man kann hin und wieder in den Dörfern im Schatten liegende und Khat kauende Männer beobachten.
Die Sonne steigt rasch höher, und es wird heiß. Des halb ist es angenehm, durch baumhohe Opuntien und Euphorbien einige Zeit im Schatten gehen zu können. In den Baumkronen von Akazien sehen wir einige Bienenkörbe. Schließlich gelangen wir zu der etwa zwei Meter hohen Außenmauer von Olanta. Dort erzählt uns Dinote  die folgende Geschichte:
Die Mauer wurde vor vielen Jahren zum Schutz des Dorfes errichtet. Kurz nachdem sie fertg war, stürzte sie an dieser Stelle, wo wir uns gerade befinden, ein. Man baute sie wieder auf, doch sie stürzte erneut ein. Das war sehr merkwürdig, da die Konso als sehr gute Baumeister von Steinmauern gelten. Man vermutete deshalb, dass Geister am Ensturz der Mauer beteiligt sein müssen. Offensichtlich wurde durch die Mauer das Ein- und Ausschweben der Geister derart behindert, dass sie gegen die Steine prallten und die Mauer an dieser Stelle einstürzte. Diese Vermutung erwies sich als richtig. Man ließ im oberen Teil der Mauer eine fensterartige Öffnung, und seitdem blieb die Mauer unversehrt.

Wir gehen durch das Dorf und gelangen bald zu einer Mora. Das ist ein öffentlicher Platz, auf dem Feste gefeiert und Zeremonien und Verhandlungen durchgeführt werden. Das Gebäude auf dem Platz dient als Schlafplatz für männliche Jugendliche und Besucher des Dorfes. Innerhalb eines traditionellen Dorfes gibt es mehrere über die gesamte Fläche verteilte Moras, die durch ein Wegesystem miteinander verbunden sind. Dadurch ist es möglich, die gesamte Dorfbevölkerung im Gefahrfall in kurzer Zeit zu erreichen.
Die auf der Mora aufgestellten Generationen-Bäume dienen der Zeitmessung nach traditioneller Art. Jeweils nach 18 Jahren wird ein neuer Stamm aufgestellt, der länger als die bereits vorhandenen ist.
Jeder kann daran ablesen, zu welcher Generation er gehört.

Weg in einem Konsodorf

Gebirgige Konso-Landschaft


Beliebte Freizeitgestaltung der Männer

Übernachtungshaus


Viele Berghänge sind terrassiert

Generationen-Bäume


und werden landwirtschaftlich genutzt


Zur sonntäglichen Freizeitgestaltung gehört im Konso unbedingt chagga, das aus Hirse oder Mais hergestellte einheimische Bier. Chagga wird ausschließlich von Frauen gebraut, getrunken wird es aber natürlich auch von Männern und leider - oft regelmäßig - auch von Kindern. Chagga sei in Konso ein Grundnahrungsmittel, wird von Einheimischen oft betont. Das sonntägliche Chagga-trinken ist in der Kultur der Konso tief verwurzelt. Man trifft sich auf dem Grunstück der Familie, die an dem jeweiligen Sonntag Gastgeber ist und chagga verkauft. Heute trifft sich die Nachbarschaft bei Dinote, und Heike und ich sind eingeladen.  Wir verzichten aber, selbst chagga zu probieren. Man weiß ja nicht, welche Wirkung das Bier  magen-und-darm-mäßg hervorruft.

 



Wir gehen zum Kindergarten. Schon von weitem sehen wir den Wassertank, der auf einem Betonfundament steht. Im Behälter ist kein Wasser, da Rohr und Wasserhahn für die Wasserentnahme noch nicht angeschlossen sind. Bei Regen fließt das Wasser oben hinein und unten wieder heraus und versickert in der Erde.
In der Kanta Lodge sehen wir, dass es auch anders geht. Dort wurden meherere Wassertanks aufgestellt, und das Regenwasser wird für die Bewässerung des Gartens genutzt.



Am Nachmittag bespreche ich mit Fredy Hess das Ansichtskarten-Projekt. Eine Ansichtskarte könnte für 15 Birr an Touristen verkauft werden, so dass nach Abzug der Mehrwertsteuer und einem Anteil für den Verkauf etwa 10 Birr übrig bleiben. Die Karten sollen zunächst im Restaurant der Kanta-Lodge verkauft werden, bis der Raum für den Souvenirverkauf fertig ist.

Am nächsten Morgen fahren wir zur Konso Primary School, um die Montage der Ölpresse zu erklären. Da zum Pressen eine gewisse Kraft erforderlich ist, muss die Presse fest auf einer geeigneten Unterlage verschraubt werden.  Die Presse sowie Schrauben und Werkzeug lassen wir in der Schule. Anschließend gehen wir zu dem Hang, wo im Februar die Jatropha-Stecklinge gepflanzt wurden. Die meisten Stecklinge sind angewachsen, viele davon haben aber die Blätter abgeworfen, ein Zeichen für Wassermangel.

Wir fahren zur Schule in Gersale Die Lehrer haben aber nur wenig Zeit für uns, da gerade ein Meeting in der Schule stattfindet. Deshalb fahren wir gleich weiter zum Katable-Pond, der gut mit Wasser gefüllt ist. Auf der Fahrt sehen wir etwas ganz außergewöhnliches - einen Rinderstall mit Rindern.
In Kumme sehen wir, dass an der neu gebauten Schule auch eine Zisterne errichtet wird. Am Rand des Dorfes ist ein alter, nicht mehr funktionsfähiger Wasserbehälter von beachtlichem Ausmaß.

Der Katable-Pond ist gut gefüllt


Eine Seltenheit - ein Rinderstall mit Rindern


Bau einer Zisterne in Kumme



Alter, nicht funktionsfähiger Wasserspeicher


Wakas in Kumme


Ein großer Tag steht bevor. Wir wollen das erste Öl pressen. Doch zuvor sind wir neugierig, wie in der Konso Primary School die Presse auf eine Unterlage montiert wurde. Mit den in der Schule vorhandenen Werkzeugen gelingt es nicht, die Presse auf einer ausgedienten Schulbank zu befestigen. Wir laden Ölpresse und Schulbank in den Jeep und fahren in eine Schlosserei. Dort wird die Bank durch ein weiteres Brett verstärkt, und an den wackeligen Profilstahlrahmen werden Querstreben mit einem sehr abenteuerlich aussehenden Schweißgerät angeschweißt. Nach reichlich einer Stunde ist die Vorrichtung fertig, und wir fahren zur Schule in Debona.


 


Schon bei der Ankunft auf dem Schulgelände werden wir von einer Schar Schüler neugierig umringt. Es wird allgemein erwartet, dass die Vorführung der Presse im Freien erfolgt. Ich erkläre jedoch, dass es wegen des Windes besser ist, die Veranstaltung in einem Raum durchzuführen, damit die Flamme zum beheizen des Presszylinders nicht durch den Wind gelöscht wird. Wir bauen die Presse im Zimmer des Direktors auf, wo sich etwa 20 bis 25 Lehrer eingefunden haben. Vor der Tür und an den Fenstern wollen viele Schüler das Spektakel.beobachten.
Ich habe mit der Piteba-Presse noch keine Jatropha-Samen gepresst, wohl aber zu Hause Sonnenblumenkerne. Um einen möglichen GAU - wir können kein Öl aus Jatropha-Samen pressen -  auszuschließen, beginnen wir mit den Sonnenblumenkernen. Aus der Bedienungsanleitung der Presse ist zu entnehmen, dass die Samen einen Wassergehalt von etwa 8% haben sollen, um eine maximale Ölausbeute zu erreichen. In einem trockenem Klima wie in Konso ist davon auszugehen dass in der Sonne gelagerte Samen trocken sind und man die gewünschte Feuchte durch Zugabe von Wasser einstellen kann. Ich beginne mit trockenen Sonnenblumenkernen. Wie zu erwarten wird unter diesen Bedingungen kein Öl aus den Kernen gepresst, sondern es entsteht im Presszylinder eine steinharte Masse. Während ich die Presse reinige, gibt Heike die entsprechende Menge Wasser zu den Sonnenblumenkernen, und wir starten den nächsten Versuch. Nun fließt Öl aus der Presse.

Dann die gleiche Prozedur mit Jatropha-Samen. Es ist absolutes Neuland, um mit den Worten unserer Kanzlerin zu sprechen. Es ist nicht nur Neuland, sondern für uns auch außerordentlich spannend. Alle starren auf die Presse, aber es fließt kein Öl.
Nach einer Weile . . . langsam tropft Jatropha-Öl aus der Presse.

Das erste Jatropha-Öl - Made in Konso


Aufmerksame Beobachter

27. November 2012 Das erste Jatropha-Öl in Konso

Nach der erfolgreichen Vorführung gönnen wir uns ein wenig "Touristik-Programm". Wir fahren nach Itikle, wo wir einem Weber bei der Arbeit zuschauen können. Das Weben wird in Konso ausnahmslos von Männern praktiziert. Es werden sowohl traditionelle weiße   als auch moderne gelbe und bunte Tücher in Einheitsbreite auf einem sehr primitiven Webstuhl hergestellt.





Von Itikle fahren wir nach Fasha, wo gerade Markttag ist.




 

Töpferin in Gugnara

In der Konso Primary School setzen wir die Vorführung der Ölpresse fort, an der sieben Lehrer teilnehmen, alle sehr interessiert. Sie stellen viele Fragen, auch über die Verwendungsmöglichkeiten des Öls. Es gelingt uns, eine ordentliche Menge Öl zu pressen. Um zu zeigen, dass man das Öl zur Beleuchtung und zum Kochen verwenden kann, improvisieren wir eine Minilampe mit dem vorhandenen Material. Es gelingt uns, eine ruhig brennende, nicht rußende Flamme zu erzeugen.




Wir fahren in die Schule nach Gocha. Es findet gerade ein Meeting statt, aber die Lehrer des "Jatropha-Clubs" zeigen uns  stolz einen Sack mit gesammelten Jatropha-Samen sowie Sämlinge und Stecklinge auf dem weitläufigen Gelände der Schule. Da die Zisterne leer ist, bringen die Schüler Wasser in Flaschen von zu Hause mit, um die Pflanzen im Schulgarten zu bewässern.

 Am Tag vor unserer Abreise erfahren wir einige Neuigkeiten über die Stämme im Tal des Omo. Man hat dort begonnen nach Erdöl zu bohren und eine riesige Zuckerrohrplantage anzulegen. Dabei sei es notwendig, einige Stämme (zwangs)umzusiedeln. Es ist geplant, eine Erdölpipeline zur kenianischen Küste, eine Eisenbahnstrecke sowie befestigte Straßen bis zur Zuckerfabrik zu bauen. Nicht weit von Konso soll ein Flugplatz und ein großes Gewerbegebiet entstehen.
Für mich klingt das alles etwas nach Science-fiction. Mit einigen Großprojekten soll der bisher sehr vernachlässigte Süden Äthiopiens nun in die Zukunft katapultiert werden.

Nach dem visionären Höhenflug wieder in die Tiefen des Konso Alltags.

Es soll eine Lösung für ein defektes Notebook gefunden werden. Das ist schwierig.

Es wird vorgeschlagen, dass die Postkarten nicht nur in der Kanta Lodge, sondern auch in der Tourist-Information und im Museum verkauft werden. Das kann beim nächsten Besuch geregelt werden.

Die Finanzierung des von mir in Aussicht gestellten Betonfußboden im Kindergarten wird ausgehandelt. Zement für einen Raum kostet 275 Euro. Ich gebe Dinote das Geld, teils in Birr, teils in Euro. Ein Betonfußboden ist unbedingt erforderlich, um die Hygiene  zu verbessern. Der Fußboden kann dann einfach gekehrt oder besser nass gereinigt werden. Das Wasser aus dem Tank kann dazu mit verwendet werden.

Auf der Fahrt nach Arba Minch erfahren wir die allerneueste Nachricht: Die Mursi sollen nun doch nicht zwangsumgesiedelt werden. Die Regierung hat es sich anders überlegt.
In Arba Minch wird die Hauptstraße asphaltiert, Nebenstraßen werden mit Kopfsteinpflaster befestigt.
Wir fliegen mit Verspätung nach Addis Abeba, haben aber dort noch ausreichend Zeit, um vom Inlandsflughafen zum internationalen Flughafen zu gehen. Ich trinke ein einheimisches Bier (kein chagga) für 4 Dollar, Heike einen Saft für ebenfalls 4 Dollar. Der Service ist miserabel, die Bedienung arrogant, die Restaurants sind durchweg nicht zu empfehlen.

Wir fliegen pünktlich ab.
Zwischenlandung in Khartum. Der Flughafen ist fast nicht beleuchtet.

Bei der Ankunft in Frankfurt ist es noch dunkel - und kalt.